Im Rahmen der 15. Jahresfeier des Forschungsinstituts Gastein kamen fünf Spezialist*innen aus Medizin und Forschung zusammen, um bei einer Round-Table-Diskussion über die zukünftige Entwicklung von Kur und Rehabilitation zu debattieren.
Die Gesellschaft überaltert immer mehr und die medizinische Versorgung kommt aufgrund von mangelndem Nachwuchs auf allen Ebenen zunehmend in Bedrängnis. Forschungsergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit von Gesundheitsvorsorgeaufenthalten, Kur sowie Rehabilitationsmaßnahmen, um die Mobilität, Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit von betroffenen Personen bestmöglich zu gewährleisten sowie um deren Teilhabe am Alltag möglichst lange aufrechtzuerhalten und somit das Gesundheitssystem nachhaltig zu entlasten.
Alltagsentlastung ermöglicht einen neuen Blickwinkel auf die eigene Gesundheit
Dr. Rudolf Radlmüller (Med. Leitung Kurzentrum Bad Hofgastein) konkretisiert, dass bei einem Gesundheitsvorsorgeaktiv Aufenthalt die Eigenverantwortung der Patient*innen für die Gesundheit mehr in den Mittelpunkt rückt und hier viel zur Erhaltung der gesunden Lebensjahre beigetragen werden kann. Im Gasteiner Tal können die Patient*innen von der Wirkung der natürlichen Heilmittel profitieren, wobei auch der Ortswechsel und die Auszeit vom Alltag sehr wertvoll sei. „Wichtig für die Ergebnisse ist auch der Aufenthalt am Kurort, dass die Patient*innen von zu Hause wegkommen, eine Entlastung von den Alltagsbelastungen erfahren und so besser zugänglich für präventive Maßnahmen und Schulungen werden.“
Ziel der PV: Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge weiterentwickeln
Die neue Chefärztin der Pensionsversicherung (PV) Dr.in Monika Mustak-Blagusz erläutert die Bestrebungen der PV in Sachen Gesundheitsvorsorge. Die klassische Kur wurde für Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates weiterentwickelt und wird unter dem Namen Gesundheitsvorsorge Aktiv (GVA) angeboten. Dabei beschreibt Mustak-Blagusz die Förderung der Gesundheitskompetenz von Patient*innen als höchst relevant: „Wir brauchen in unserem Leben Gesundheitskompetenz. Eine gute Möglichkeit, diese zu erwerben, ist im Rahmen eines Kur- oder GVA-Aufenthaltes.“
Prävention bringt ökonomische Vorteile und spielt in der Medizin eine wesentliche Rolle
Dr. Bertram Hölzl (Med. Leitung Landesklinik St. Veit) betont, dass ein präventiver Einsatz der Radontherapie, bei entsprechender Indikation und in Verbindung mit aktiven Maßnahmen viele Krankheitsfaktoren, vom individuellen Wohlbefinden bis zur Arbeitsfähigkeit, positiv beeinflussen kann. „Bei vielen rheumatischen Erkrankungen zeigen die Heilstollentherapie, aber natürlich auch die anderen Formen der Radontherapie, in Verbindung mit aktiven Maßnahmen einen wesentlichen Erfolg.“ Dadurch kann auch ein ökonomischer Benefit durch Präventions-Maßnahmen erzielt werden.
Zeitgerechte Rehabilitation sollte für alle Patient*innen zugänglich sein
Auch in Bezug auf Rehabilitation appelliert Dr.in Renata Čop (Med. Leitung Klinikum Bad Gastein) zu mehr Eigenverantwortung der Patient*innen und betont, dass Rehabilitation, als ein multimodaler kooperativer Prozess, in allen Gesundheitssystemen verstärkt werden muss.
„Wir sind auf dem richtigen Weg, was die Rehabilitation in Österreich betrifft“, berichtet Čop und holt weiter aus „Im Fokus ist immer unsere Patient*in. In diesem Sinne sollen die Rehabilitationsprozesse individuell angepasst werden und jenen, die Bedarf haben, auch zur Verfügung stehen!“
Wirkungsforschung braucht exzellentes Studiendesign
Univ.-Prof.in Tanja Stamm (Leitung Institut für Outcome Research, MedUni Wien, Leitung des Ludwig Boltzmann Institut für Arthritis und Rehabilitation) setzt sich im Round-Table Gespräch für gute klinische Studiendesigns ein, welche essenziell sind, um in der Wirkungsforschung klare Aussagen treffen zu können. Dabei unterstreicht sie die Vorteile der standortübergreifenden Kooperationen. „Mein Plädoyer wäre daher, hochwertige klinische Studien zu machen, … über mehrere Standorte hinweg, in die man dann auch größere Fallzahlen integrieren kann“.
Ortsgebundene Heilmittel sind eine Chance für die Patient*innen und die Region
Die Expert*innen waren sich einig, dass sich die Wissenschaft noch intensiver mit der Erforschung der natürlichen Heilmittel, zu denen auch die Gasteiner Radontherapie gehört, auseinandersetzen muss. Die Erfahrungswerte zeigen, dass die natürlichen Heilmittel des Gasteiner Tals einen Benefit für die Patient*innen bringen können, aber auch, dass mehr Forschung nötig ist, um dies zu bestätigen, erklärt Čop. Die Radontherapie ist ein Alleinstellungsmerkmal und kann auch ein Wettbewerbsvorteil für die Region sein, ergänzt Hölzl. Auch PV Chefärztin Mustak-Blagusz sieht die naturgebundenen Heilmittel als gute Option, diese in die Therapien miteinzubinden. Sie ergänzt, dass universitäre Forschung zu diesen Heilmitteln nötig ist, um Evidenz zu kreieren und auf deren Basis gute Entscheidungen zu treffen. Auch aus dem Blickwinkel der Forschung schreibt Stamm den natürlichen Heilmitteln eine immense Chance für die Behandlung von Patient*innen zu und betont, wie interessant das Aufdecken der Wirkmechanismen für die Wissenschaft sei. Aus dem Blickwinkel der Praxis betont Radlmüller, dass die natürlichen Heilmittel gute Dienste leisten, besonders wenn sich bereits erste Krankheitssymptome manifestiert haben, oder wenn rheumatische Erkrankungen bestehen. Er ergänzt, dass es wichtig zu wissen wäre, wie Radon in Kombination mit den Gesundheitsvorsorgeprogrammen wirkt, um die Einschätzung der beobachteten Effekte mit Zahlen, Daten und Fakten zu untermauern.
Was braucht die Wissenschaft: Expertise, Finanzierung, Netzwerke und ein motiviertes Team
Mit der Aussage „Medizin ohne Forschung ergibt keinen Sinn“ bestätigt Čop die Relevanz von Forschung auch in den Bereichen Kur und Rehabilitation. Hölzl betont, wie wichtig für die Forschung am Kurort und an der Reha-Klinik die Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungsinstituten ist. Für den Wirksamkeitsnachweis durch klinischen Studien seien sogenannte „harte“ Endpunkte als Kriterien des Therapieerfolgs zu definieren, um „Daten zu akquirieren, die den Stellenwert der Kur und der Rehabilitation untermauern“. Mustak-Blagusz betont, dass Forschung Kooperationen braucht und führt aus, dass in Studien die Nachhaltigkeit der Therapien in den Fokus gerückt werden muss. Ebenso kann Stamm, die hauptberuflich in der Wissenschaft tätig ist, die Notwendigkeit von Netzwerken nur unterstreichen und führt weiter aus, dass für qualitativ hochwertige Forschung auch vor allem die Sicherstellung der Finanzierung, sowie die Expertise der Forschenden entscheidend ist. Dass Forschung am Kurort gelingen kann, zeigt beispielhaft das Gasteiner Gesundheitsregister. Radlmüller, der mit seinem Team, Patient*innen für das Gasteiner Gesundheitsregister rekrutiert, ist voller Lob für seine motivierten Mitarbeiter*innen: „Die Umsetzung mancher Dinge liegt immer an den Personen, die dahinterstehen. Wenn man motivierte Mitarbeiter*innen hat und die Bedeutung einer Kurforschung vermitteln kann, ist Vieles möglich“. Radlmüller betont auch, dass er froh über die gelungene Partnerschaft mit dem Forschungsinstitut Gastein ist, da sich hierbei Wissenschaftspraxis und kurmedizinisches Erfahrungswissen vollends ergänzen.
Zukunftsfit in Sachen Gesundheitsvorsorge, Kur & Rehabilitation
Was die Zukunft von Gesundheitsvorsorge, Kur und Rehabilitation angeht, so spricht sich Hölzl für mehr Individualisierung der Therapien aus. Er wünscht sich, dass besonders die Rehabilitation mehr in die Gesamttherapie der Patient*innen integriert wird. Bei Bedarf sollte den Patient*innen ein rascher Zugang zur Rehabilitation erleichtert werden, empfiehlt Čop, und forciert die Integration von modernen Technologien wie Robotik besonders in der Neuro-Rehabilitation. Zukünftig wäre es wünschenswert, dass die „Post-Rehabilitations Pfade“ gut im Sozialsystem verankert werden, bekräftigt Mustak-Blagusz, um so die Patient*innen langfristig zu motivieren und dadurch länger im aktiven Berufsleben zu halten. Dabei müssen berufliche Problemlagen möglichst früh erkannt werden. Stamm sieht die Zukunft in der digitalisierten und personalisierten Medizin und spricht an, dass eine digitale Nachbetreuung der Patient*innen nach Kur und Reha ein mögliches Tool sein kann, um Motivation länger aufrecht zu halten. Radlmüller verweist darauf, dass in der GVA auch die Verhältnisprävention in Bezug auf arbeitsmedizinisch relevante Themen, wie die ergonomische Gestaltung des Homeoffice-Arbeitsplatzes, aufgegriffen werden sollte und auch eine zeitgereichte Motivation der Patient*innen für einen GVA-Aufenthalt ein immenses präventives Potential darstellt.
Ein detaillierter Bericht der Veranstaltung wird auf der Homepage der Paracelsus Medizinischen Universität bereitgestellt.
Das Forschungsinstitut Gastein (FOI; Vorstand Univ. Prof. Dr. Markus Ritter, PMU) ist für die unabhängige Durchführung und Koordination klinischer und grundlagenwissenschaftlicher Studien, unter Einbindung und Mitwirkung der Gasteiner Gesundheitsbetriebe, verantwortlich, wobei insbesondere ein Fokus auf Studien im Bereich der Balneologie, der Kur- und Rehabilitationsforschung sowie der Schmerztherapieforschung liegt. Ein gelungenes Beispiel dafür ist das Gasteiner Gesundheitsregister, welches vom Forschungsinstitut Gastein initiiert wurde, und für das mehrere Gasteiner Gesundheitsbetriebe aktiv Studienteilnehmer*innen rekrutieren.
Julia Fuchs im Auftrag für das Forschungsinstitut Gastein
Rückfragen richten Sie bitte an: Julia Fuchs M.Sc. – julia.fuchs@pmu.ac.at